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Umsatzsteuer – Aktuelle Entwicklungen zu den Reihengeschäften

Schreiben der Bundessteuerberaterkammer vom 22.04.2015

Umsatzsteuer – Aktuelle Entwicklungen zu den Reihengeschäften

Im Bereich des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs spielen Reihengeschäfte eine große Rolle. In der Praxis herrscht aufgrund der Rechtsprechung des EuGH und der sich widersprechenden Entscheidungen des V. und XI. Senats des BFH sowie der anderslautenden Ausführungen im UStAE seit Jahren große Verwirrung. Zudem enthält die Mehrwertsteuersystemrichtlinie und die EU-VO 282/2011 keine detaillierten Regelungen zum Reihengeschäft. Vor diesem Hintergrund hat der XI. Senat am 8. April 2015 folgende zwei Urteile zu den Reihengeschäften veröffentlicht.

XI R 15/14 vom 25. Februar 2015 – Folgeentscheidung in der Rechtssache VSTR[1]

In diesem Verfahren hat das Gericht festgestellt, dass bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft, die erforderliche Zuordnung der bewegten Lieferung zu einer der beiden Lieferungen eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls voraussetzt. Insbesondere muss eine Feststellung darüber getroffen werden, ob der Ersterwerber (B) dem Zweiterwerber (C) die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, im Inland übertragen hat. Verbleiben nach der erforderlichen Sachverhaltsaufklärung, nicht behebbare Zweifel daran, dass der Ersterwerber (B) dem Zweiterwerber (C) die Verfügungsmacht noch im Inland übertragen hat, ist die Warenbewegung der ersten Lieferung (A an B) zuzuordnen.

XI R 30/13 vom 25. Februar 2015 – Fortführung des BFH-Urteils vom 28. Mai 2013[2]

Die zweite Entscheidung hat Auswirkungen auf das „deutsche Verständnis“ von Reihengeschäften. Das Gericht hat entschieden, dass bei einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft bei dem der letzte Abnehmer (C) den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet, die Beförderung oder Versendung der ersten Lieferung (A an B) zuzuordnen ist, es sei denn, der erste Abnehmer (B) hat dem letzten Abnehmer (C) die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen, bereits im Inland übertragen.

Hinweis

Der XI. Senat bleibt dabei seiner Linie treu und stellt bei der Beurteilung von Reihengeschäfte auf die Gesamtumstände des Einzelfalls ab. Eine praxisgerechte Abwicklung von Reihengeschäften, die stets Massengeschäfte sind, ist nach diesen Grundsätzen kaum durchführbar.

Die Urteile haben auch gravierende Auswirkungen auf die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung, die in Abholfällen durch den letzten Abnehmer stets die letzte Lieferung als bewegte Lieferung ansieht (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE). Die Behandlung dieser Fälle war bisher stets unproblematisch.

Offen ist derzeit, wie die Finanzverwaltung auf diese Urteile reagiert. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde bereits vor einigen Monaten zu diesem Thema eingerichtet. Es müsste auch erörtert werden, ob ggf. eine Gesetzesänderung erforderlich ist.

Auch auf europäischer Ebene wird dieses Thema diskutiert. In Brüssel beschäftigen sich folgende Arbeitsgruppen mit diesem Thema:

  • Gruppe über die Zukunft der Mehrwertsteuer bestehend aus Experten aus den 28 Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten
  • MwSt-Expertengruppe

Eine aus diesen beiden Gruppen gebildete Unterarbeitsgruppe hat sich im letzten Jahr ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Der Report der Unterarbeitsgruppe[3] kann auf der Webseite der EU-Kommission eingesehen werden.

Derzeit ist noch ein weiteres Verfahren beim XI. Senat des BFH anhängig, welches noch in diesem Jahr entschieden werden soll (Az. XI R 12/14).

Es bleibt abzuwarten, wie es in dieser Sache weitergeht. Die derzeitigen Verwaltungsanweisungen des UStAE gelten bis auf Weiteres fort.

 

[1] EuGH-Urteil vom 27. September 2012 – Rs. C-587/10.

[2] Az. XI R 11/09, BFHE 242, 84; BFH/NV 2013, S. 1524.

[3] CIRCABC: Dokument VEG No. 40; 10. Tagung vom 10. Februar 2014 „chain Transactions“.

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